Januar: Am Anfang des Jahres hatte ich die schlimmste Zeit meines Lebens. Es war ein Alptraum. Ich hab's versucht mit Humor zu nehmen, aber auch mein Humor hat Grenzen. Zum Schluss hab ich jeden Abend auf dem Nachhauseweg im Auto geheult. Ich war so angespannt, dass ich jede Nacht die Kissen durchschwitzte. Ich hatte innerhalb von acht Wochen fünf Kilo abgenommen und das war kein Grund zur Freude. Sobald das Telefon klingelte, bekam ich regelrechte Panikattacken. Ich war erst seit drei Monaten in der neuen Firma und ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Februar: Es war eigentlich nicht zu glauben, aber im Februar wurde alles noch viel schlimmer. Ich war nicht mehr ich. Es ging nicht mehr. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sprach meine Chefin auf die Situation an. Ich dachte, wir finden eine Lösung. Sie fand eine: Kündigung. Dieser Tag war komplett crazy. Ich war gleichzeitig geschockt, traurig, erleichtert und froh. Ich bin nach Hause gefahren und hab nicht geweint. Keks und ich sind ausgegangen und haben gefeiert. Zum zweiten Glas Wein gab's auch noch einen Heiratsantrag von Keks und ich hab "ja" gesagt und hatte Angst, dass ich alles nur träume. Ich hab geschlafen wie ein Baby und nicht geschwitzt.
März: Ich war arbeitslos. Anfangs hat sich's ganz gut angefühlt. Es war mehr wie Urlaub. Ich hab ein paar Bewerbungen geschrieben und mich erholt. Dann waren wir auch noch eine Woche Skifahren in Stanton und ich hab wieder angefangen zuzunehmen (nicht ganz unschuldig: Wiener Schnitzel und Kaiserschmarrn). Ende März wurde aber alles irgendwie weniger spaßig. Ich fiel in ein Loch; eine subdepressive Episode würde ich mir allenthalben diagnostizieren. Den ersten Bewerbungen folgten die ersten Absagen. Ich hatte Zukunftsängste und den ganzen Schmu. Keks war tapfer, wusste aber nicht mehr, was er mit mir tun sollte und ich wusste es auch nicht.
April: Anfang April bekam ich einen Anruf: Einladung zum Vorstellungsgespräch! Ab dann wurde es besser. Besser war zwar immer noch nicht gut, aber das Tal war durchschritten. Wir fuhren über's Wochenende nach Sylt und das Leben hatte mich wieder. Die Personalabteilungen gaben sich in der Folge fast die Klinke in die Hand und Ende des Monats hatte ich wieder einen Job. In Hamburg. Und alles war gut.
Mai: Der Anfang in meinem neuen Job war nicht leicht. Ich hatte eine latente Panik, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Aber nichts passierte. Die Einarbeitung lief gut, die Kollegen waren nett, die Arbeit war spannend und interessant. Ich war höchstens ein bisschen unruhig, weil ich zeigen wollte, was ich kann und weil mich keiner ließ. Aber ich hab wieder geatmet und weiter zugenommen.
Juni: Der Sommer fing an und die Fußball-WM. Die Euphorie war nicht zu bremsen, man kam mit wildfremden Menschen an der Bushaltestelle ins Gespräch und die Agentur hatte sogar einen Nachmittag geschlossen, damit alle das Vorrundenspiel kucken konnten. Komplett von der Verrücktheit meiner Mitstadtbewohner überzeugt war ich, als beim Spiel Ghana gegen Tschechien ein Elfmeter gepfiffen wurde und die Emsigkeit an den Supermarktkassen zum Erliegen kam, weil alle Verkäufer und Kunden lieber den Elfmeter sehen wollten, als ihren Geschäften nachzugehen. Was war nur in uns alle gefahren?
Juli: Als die WM vorbei war, war auch der Sommer vorbei (oder erinnere ich mich da jetzt falsch?). Es war wieder Zeit, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Urlaub war ja in weiter Ferne (wegen Probezeit). Ich hatte es geschafft, die ersten Anfangshürden zu nehmen, ein paar Ideen von mir waren ganz gut angekommen und ich konnte es mir langsam auch immer öfter herausnehmen, morgens zu spät zu kommen. Robbie Williams gab sich die Ehre in Hamburg und wir waren natürlich dabei. Ende Juli gab's dann Klassentreffen: 10 Jahre Abitur. Erstaunlicherweise waren alle 10 Jahre älter geworden und hatten sich sonst nicht weiter verändert. Die Lebenswege unterschieden sich teilweise dramatisch, bei Frauen ganz klassisch, Kinder bis Karriere, bei Männern, komplette Orientierungslosigkeit bis Sparkassenfilialleiter. Geliebt hab ich dieselben wie 10 Jahre zuvor, manche Dinge ändern sich nie.
August: Mein erstes Großprojekt. Die Kundin wies deutliche Ähnlichkeiten mit meiner Ex-Chefin auf und sparte nicht an Provokationen und Beleidigungen. Die ersten Nacht- und Wochenendschichten fielen an. Dann auch mein erster Einlauf: Die gute Kundin hatte sich bei Chef1 beschwert, ich wäre so pampig zu ihr. Dazu kann ich nur sagen, wie man in den Wald hineinruft... Irgendwie haben wir das Ding nach mehreren unvermeidbaren Eskalationen dennoch gewuppt. Unvergessen bleibt die Flasche Prosecco, die ich Samstag nachmittags mit Chefin2 in der Firma geleert hab, nachdem wir den Zwischenbericht abgeschickt hatten.
September: Mein 30. Geburtstag nahte und das war nicht gut. Es stellte sich heraus, dass ich ihn auf einem Kongress in München verbringen sollte und das war wiederum nicht schlecht, weil ich so Schwesterherz1 in ihrer neuen Wohnung besuchen konnte. Dann wurde ich 30 und es hat gar nicht weh getan. Keks und ich waren dekadenterweise zweimal nacheinander am Wochenende auf Sylt, weil die gute Seeluft für Keksis Gesundheit einen unschätzbaren Wert hat.
Oktober: Die letzten Wochen der Probezeit. Innerlich hielt ich den Atem an, würde ich es dieses Mal schaffen? Jeden Abend auf dem Nachhauseweg rechnete ich aus, wie viele Tage ich schon in der Firma war, wie viele Tage noch bis zum Ende der Probezeit zu absolvieren waren, wie viele Tage länger ich schon in dieser Firma war als in der letzten und wie lange ich noch arbeiten müsste, bis die Episode in der letzten Firma nur noch 1% meiner Lebensarbeitszeit ausmacht. Und dann war's geschafft. Ein sehr positives Feedbackgespräch, eine Gehaltserhöhung, und ab in den Urlaub. 29.10.: Abflug nach Miami!
November: Miami Beach - Halloween in der Lincoln Road - Orlando - Disneyworld - Key West - Hemingway House - Naples - Everglades - wieder Miami Beach - Essen - Shoppen - Beachen - Stopover in New York - Brooklyn Bridge - Empire State Builing - Central Park - Times Square - Park Avenue - Rockefeller Center - MoMA - Chinatown - Little Italy - 12.11. zurück in Hamburg. Eine Woche in Halbschlaf und Urlaubsnostalgie verbracht. Erste Kundenpräsentation für die neue Firma: keine Ohnmachtsanfälle und anderen Katastrophen. Kreditkartenabrechnung nach Urlaub: Ich bin pleite. Gehaltsabrechnung nach Gehaltserhöhung: Ich muss Schuhe kaufen.
Dezember: Es wird nicht richtig Winter in Hamburg. Keiner kann glauben, dass bald Weihnachten ist. Allerdings kommt das Jahr langsam zur Ruhe. Und ich blicke zurück auf 2006. Es ist sehr viel passiert in diesem Jahr. Meinetwegen darf 2007 ein bisschen entspannter werden. Aber ab und an sollte schon was passieren, sonst gibt's ja nichts zu bloggen.
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