Donnerstag, Dezember 28

zwischen den Jahren in der U-Bahn

Heute morgen um kurz vor 9 saß in der U3 eine (vermutlich) Obdachlose. Sie war in Begleitung eines sektflaschenähnlichen Gefäßes mit einer schaumweinähnlichen rötlichen Flüssigkeit, woraus sie regelmäßig trank. Sie war dreckig und rülpste gelegentlich. Sie hatte einen stumpfen Gesichtsausdruck, eigentlich sah sie etwas dämlich aus und sie saß seltsam zusammengekrümmt auf ihrem Platz. Tatsächlich beanspruchte sie mit ihren fünf Plastiktüten vier Plätze, natürlich wollte sich niemand zu ihr setzen. Sie war unglücklich und sie tat mir leid.

Sie brabbelte eine Weile unsinniges Zeug vor sich hin, sie hatte wahrscheinlich keine Ahnung, wohin die Bahn fuhr und was sie tun sollte, wenn die Endstation erreicht war oder wenn ihre Flasche leer war. Sie rülpste wieder. Sie schien im Grunde nichts weiter wahrzunehmen von sich und der Welt.

Dann drehte sie sich plötzlich zu mir und sagte in einem freundlichen Ton: "Schöne Tasche. So 'ne Taschen sieht man jetzt viele. Kosten sicher ein Schweinegeld."

Erst nachdem ich ausgestiegen war, realisierte ich ihren Gedankengang. Sie hat recht. Diese Taschen hat jetzt jeder, sie sind der letzte Schrei. Für modebewusste Großstädterinnen führt so gut wie kein Weg an ihnen vorbei.
Aber woher hat sie das gewusst?

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