Sonntag, Februar 11

Wenn du Kultur willst, kauf Joghurt!

Trifft man sich am Samstag nachmittag mit Freundin L. und Freundin V. zum Kaffee, kann dies durchaus zu einem Gelage von einigen Gläsern Weißwein werden.
Dies führt zu akuter Betrunkenheit bereits vor 20 Uhr.

Allerdings machte das Gesprächsthema es leider unerlässlich, die Nerven mit Alkohol zu beruhigen. Es ging um Freund M. von Freundin V., der nach unserer geteilten Meinung leider ein Vollidiot ist.

M. fühlt sich in V.s Gegenwart nach eigener Aussage "geistig einsam", da V. nicht weiß, welches Theaterstück gerade durch alle Feuilltons geht und auch nicht was der Unterschied zwischen der Frankfurter Schule und der neuen Frankfurter Schule ist. Auch weiß sie nicht, wer 1927 in einer berühmten Berliner Jazz-Band die Trompete gespielt hat. V. ist deshalb keine Bereicherung für M.

Um ihr eine Brücke zu bauen, damit sie zu ihm gelangen könne, geistig gesehen, hat er ihr einen Artikel kopiert ("Die Ethnifizierung Deutschlands") und sie gebeten, diesen mal durchzuarbeiten. Da V. nicht spontan vor Freude an die Decke sprang, erklärte M., er könnte nicht ständig seine Zeit damit verschwenden, "Perlen vor die Säue zu werfen".

Als er sie nach einer längeren Trennungsphase am Berliner Hauptbahnhof abholte und V. erwähnte, der Hamburger Dammtorbahnhof wäre viel schöner als der neue Berliner Hauptbahnhof, sah er sich genötigt, V. darüber aufzuklären, dass sie sich mit dieser Bemerkung einmal wieder als kulturelle Total-Banausin geoutet hätte, man könnte doch die beiden Bauwerke überhaupt gar nicht miteinander vergleichen, außerdem müsste man das doch alles im zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext sehen, und überhaupt, was für ein schwachsinniges Statement.

M. mag auch V.s Wohnung nicht, weil er da keine Liebe zu den Dingen und keine Inspirationen für sich finden kann, z.B. Antiquitäten, teure Bildbände, hochtrabende Literatur. Man muss dazu sagen, dass M. in Berlin in einem Pensionszimmer lebt und sich sein gesamtes Hab und Gut im Keller seines Elternhauses in Hannover befindet. Er hatte im letzten Jahr einfach keine Ruhe, um sich eine inspirierende eigene Wohnung zu suchen.

Ich denke, es ist klar, warum dies alles die Zufuhr von reichlich Weißwein nötig machte. Und das hab ich gern getan, auch wenn mir heute ein bisschen flau im Magen ist.

3 Kommentare:

percanta hat gesagt…

Perlen in die Säure werfen, da haben wirs wieder.
An Stelle Deiner Freundin würde ich glaub ich mit dem Vorsitzenden des Kulturbeirats ihrer Beziehung ein Personal-Entwicklungsgespräch führen und vorschlagen, seine Position zu outsourcen.
Nur mit Wein allein ist DAS möglicherweise nicht zu lösen.

phoebe hat gesagt…

Ja, da hast du natürlich recht. Aber du weißt ja, wie Frauen sind.
Und ich bin schon froh, wenn sie sich nicht ständig selber Vorwürfe macht oder denkt, der Fehler läge bei ihr.
Letztendlich wird es aber (hoffentlich) auf Outsourcing hinauslaufen.

percanta hat gesagt…

Vielleicht ist das Betriebsklima abgesehen vom Kulturbeirat ja auch großartig - und zum Glück bin ich ja weder der Personalchef in diesem Unternehmen noch ein von außen kommender Boston-Mc-Kinseyaner, der über Outsourcing oder Festanstellung zu entscheiden hat...
Aber viel Glück darf man der Freundin wohl wünschen. Und sonst eben morgens einen Joghurt zum Feuilleton.